Immer mehr Schweizer Haushalte speisen Solarstrom ins Netz ein. Doch lohnt sich die Direktvermarktung? Erfahre, für wen sich der Stromverkauf wirklich auszahlt.
Immer mehr Privathaushalte investieren in Solaranlagen, um ihren eigenen Strom zu erzeugen und sich unabhängiger von steigenden Energiepreisen zu machen. Dabei steht der Eigenverbrauch oft im Fokus, denn wer den produzierten Strom direkt nutzt, spart am meisten.
Doch was passiert mit dem Stromüberschuss, der mittags entsteht, wenn niemand zu Hause ist?
Hier stehen den Betreibern von PV-Anlagen grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen: Entweder sie speisen den überschüssigen Strom ins öffentliche Netz ein und erhalten dafür eine Rückvergütung vom lokalen Energieversorger (EVU), oder sie setzen auf die sogenannte Direktvermarktung – mit dem Ziel, einen besseren Preis zu erzielen.
In diesem Beitrag zeigen wir, was hinter dem Begriff Direktvermarktung steckt, wie sie funktioniert und wann sie sich lohnt.
Unter Direktvermarktung versteht man den Verkauf von selbst produziertem Solarstrom nicht über den lokalen Energieversorger, sondern direkt am Strommarkt.
Das bedeutet: Der überschüssige PV-Strom wird nicht zu einem festen Rückliefertarif eingespeist, sondern zu Marktpreisen verkauft – etwa über die Schweizer Strombörse oder im Rahmen von bilateralen Handelsmodellen.
Im Unterschied zur klassischen Einspeisung, bei der die Netzbetreiber für eingespeisten Strom eine meist niedrigere Rückliefervergütung zahlen, orientiert sich die Direktvermarktung am aktuellen Marktpreis. Dieser kann – je nach Stromnachfrage und Tageszeit – deutlich höher oder niedriger ausfallen als der pauschale Rückliefertarif.
Direktvermarktung ist für Privatpersonen nicht direkt zugänglich, da die Teilnahme am Strommarkt komplexe Prozesse und eine Einbindung in sogenannte Bilanzgruppen erfordert. Deshalb übernehmen spezialisierte Anbieter – sogenannte Direktvermarkter – diese Aufgabe.
In der Schweiz zählen unter anderem die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW), eCarUp oder tiko zu den bekannten Akteuren. Sie bündeln die Strommengen verschiedener PV-Anlagen, kümmern sich um die Prognose und Vermarktung des Stroms und leiten die Erlöse (abzüglich Gebühren) an die Betreiber weiter.
Die Direktvermarktung in der Schweiz ist technisch anspruchsvoll und erfordert eine präzise Erfassung der Einspeisung in Echtzeit, in der Regel über ein intelligentes Messsystem (Smart Meter). Zudem müssen Anlagen über eine gewisse Mindestgrösse verfügen, damit sich der Mehraufwand für Vermarktung und Bilanzgruppenintegration wirtschaftlich rechnet.
Für Privathaushalte, die über entsprechende Technik und Überschüsse verfügen, kann die Direktvermarktung eine interessante Möglichkeit sein, vom volatilen, aber potenziell lukrativen Strommarkt zu profitieren.
Rechtlicher Hintergrund: StromVG & Energiegesetz
Mit dem Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (auch „Mantelerlass“) wurden am 9. Juni 2024 wesentliche Änderungen im Energiegesetz (EnG) und Stromversorgungsgesetz (StromVG) beschlossen, die ab 1. Januar 2025 (EnG) bzw. 2026 (StromVG) in Kraft treten[1].
Ziel ist, die nationale Produktion erneuerbarer Energie zu stärken und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Vergütungsmodelle in der Schweiz
Für die Direktvermarktung ist eine Mindestgrösse (meist ≥10 kWp bei Privathaushalten) empfehlenswert, da kleinere Anlagen sonst stark von den administrativen Kosten belastet würden.
Grössere Anlagen ab 150 kW nehmen zusätzlich an Ausschreibungsverfahren für Marktprämien teil. Zudem verlangt das StromVG die Teilnahme an Bilanzgruppen und Regelenergiebeschaffung, was ohne professionelle Unterstützung kaum praktikabel ist.
Bis spätestens 2027 müssen Netzbetreiber rund 80 % aller konventionellen Zähler durch Smart Meter ersetzen[2]. Diese Zähler erfassen ermöglichen eine automatisierte Fernablesung sowie eine zeitgesteuerte Steuerung von Verbrauchsgeräten. Damit bilden sie die zentrale technische Basis für Eigenverbrauchsoptimierung, Bilanzierung in Direktvermarktung und Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch wie ZEV.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz fördern zunehmend eine marktnahe Vermarktung von PV-Strom. Kleine Haushaltsanlagen profitieren weiterhin vom stabilen Rückliefertarif, während grössere Anlagen mit intelligentem Messsystem sowie Bilanzgruppen-Anbindung durch Direktvermarktung und Marktprämien höhere Erlöse erzielen können.
Die Direktvermarktung von PV-Strom ist nicht für jeden Haushalt automatisch die bessere Wahl. Sie bietet zwar Potenzial für höhere Erlöse, setzt jedoch bestimmte Voraussetzungen und ein gutes technisches Setup voraus. Damit sich der zusätzliche Aufwand auch wirklich lohnt, sollten mehrere Faktoren erfüllt sein.
· Grössere PV-Anlage ab etwa 10 kWp
Erst ab einer gewissen Anlagengrösse rechnet sich die Teilnahme an der Direktvermarktung. Kleinere Anlagen erzeugen in der Regel nicht genug Überschussstrom, um die zusätzlichen Kosten für Messtechnik und Dienstleister zu kompensieren.
· Deutlicher Überschuss über den Eigenverbrauch hinaus
Die Direktvermarktung betrifft nur den Strom, der nicht selbst verbraucht wird. Wer den Grossteil seines Solarstroms selbst nutzt (etwa durch gezielte Verbrauchslenkung), erzielt damit in der Regel die höchste Wirtschaftlichkeit – ganz ohne zusätzlichen Aufwand.
· Intelligente Steuerung und Flexibilität
Wer über eine Wärmepumpe, ein E-Auto oder einen Batteriespeicher verfügt, kann durch smarte Steuerung Einfluss auf Erzeugung und Verbrauch nehmen – ein entscheidender Vorteil, um Lastspitzen gezielt zu nutzen oder gezielt am Markt zu handeln. Auch die Integration in Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) erhöht das Potenzial.
Beispielhafte Ausgangslage
Rückliefertarif (klassisch):
Direktvermarktung (bei z. B. 10.5 Rp./kWh, abzüglich 1.5 Rp. Gebühren):
Fazit des Beispiels: Trotz höherer Marktpreise kann der reale Ertrag durch Gebühren, Zählermiete und administrativen Aufwand schnell wieder schrumpfen. Entscheidend ist deshalb nicht nur der Strompreis, sondern die Gesamtkostenstruktur.
Direktvermarktung lohnt sich für Privathaushalte vor allem dann, wenn:
Für viele Haushalte bleibt der klassische Rückliefertarif einfacher und risikofreier. Wer jedoch das Potenzial seines Systems voll ausschöpfen will und bereit ist, in Technik und Beratung zu investieren, kann über die Direktvermarktung langfristig profitieren – vor allem bei hohen Marktstrompreisen.
Die Direktvermarktung bietet für private PV-Anlagenbetreiber neue Möglichkeiten, erfordert aber auch ein Umdenken im Vergleich zur klassischen Einspeisung.
· Potenziell höhere Erlöse bei hohen Marktpreisen
Im Gegensatz zum festen Rückliefertarif orientiert sich die Direktvermarktung am aktuellen Marktpreis. Bei hoher Nachfrage – etwa im Winter oder in Spitzenzeiten – kann der Strompreis deutlich über dem lokalen Einspeisetarif liegen. Besonders in Zeiten mit angespannten Energiemärkten lässt sich dadurch mehr verdienen.
· Beitrag zur Netzstabilität
Die Einbindung in Bilanzgruppen und die genaue Prognose des Einspeiseverhaltens tragen dazu bei, das Stromnetz zu stabilisieren. Direktvermarktung fördert eine netzdienliche Einspeisung und wird daher von vielen Energieexperten langfristig als zukunftsfähiges Modell angesehen.
· Flexibilität bei Stromnutzung und -verkauf
Durch die Kombination mit intelligenter Technik (z. B. Smart Meter, Energiemanagementsysteme) können Haushalte den Eigenverbrauch optimieren und flexibel entscheiden, wann und wie sie ihren Strom einspeisen oder speichern. Diese Steuerungsmöglichkeiten eröffnen neue Spielräume – etwa bei der Nutzung von dynamischen Tarifen.
· Komplexität und administrativer Aufwand
Die Direktvermarktung ist mit höherem organisatorischem Aufwand verbunden. Es müssen Verträge mit Vermarktern geschlossen, Daten bereitgestellt und regelmässige Abrechnungen nachvollzogen werden. Viele private Betreiber scheuen diesen Mehraufwand – zu Recht, wenn die Erlöse keinen spürbaren Vorteil bringen.
· Zusätzliche Technik und Anbieterwahl
Für die Direktvermarktung sind bestimmte technische Voraussetzungen nötig: ein intelligentes Messsystem, eine externe Anbindung für die Echtzeitdatenübermittlung und eine Anbindung an einen Direktvermarkter. Diese Anforderungen verursachen initiale Investitionen und laufende Kosten.
· Abhängigkeit vom Strommarktpreis
Während der Rückliefertarif stabil und vorhersehbar ist, unterliegt der Börsenstrompreis Schwankungen. In sonnenreichen Monaten kann ein Überangebot zu niedrigen Preisen führen – und damit auch zu geringeren Einnahmen. Die Marktpreise lassen sich nicht steuern, was ein gewisses Risiko mit sich bringt.
Die Direktvermarktung bietet attraktive Chancen, ist aber kein Selbstläufer. Wer die technischen und organisatorischen Anforderungen erfüllt und bereit ist, sich aktiv mit dem Strommarkt auseinanderzusetzen, kann davon profitieren. Für kleinere Anlagen mit hohem Eigenverbrauchsanteil bleibt der Rückliefertarif jedoch oft die sinnvollere Lösung.
Für die Direktvermarktung von PV-Strom braucht es spezialisierte Partner, die den Handel mit dem Strommarkt übernehmen und die administrativen und technischen Anforderungen abwickeln. In der Schweiz gibt es mittlerweile mehrere Plattformen und Anbieter, die sich gezielt an Privatpersonen und kleinere Produzenten richten. Die Modelle unterscheiden sich teils deutlich in ihrer Ausgestaltung.
· tiko Energy: tiko bietet eine Plattform, über die Haushalte ihren überschüssigen Solarstrom intelligent vermarkten können. Das Unternehmen setzt auf vernetzte Systeme (u. a. mit Batteriespeichern) und bietet dabei auch Regelenergie-Dienste an. Ideal für Haushalte mit smartem Energiemanagement.
· CKW (Centralschweizerische Kraftwerke): CKW betreibt eine eigene Direktvermarktungsplattform für Anlagen ab ca. 10 kWp. Das Unternehmen übernimmt Prognose, Bilanzgruppenmanagement und Stromverkauf. Die Angebote richten sich besonders an Kunden im Versorgungsgebiet Luzern und Umgebung.
· eCarUp: Ursprünglich auf die Vermietung von E-Ladestationen ausgerichtet, bietet eCarUp mittlerweile auch Lösungen für die Vermarktung von überschüssigem PV-Strom – oft in Kombination mit Ladeinfrastruktur. Das Modell eignet sich für Haushalte, die E-Mobilität und PV intelligent verknüpfen wollen.
· Hive Power: Ein Anbieter mit Fokus auf Community-Modelle und lokalem Energieaustausch. Hive Power arbeitet an Lösungen, bei denen Nachbarn oder Quartiere den PV-Strom untereinander handeln können – mit Blockchain-Ansätzen und flexiblen Preisstrukturen.
In der Schweiz spielt der lokale Netzbetreiber eine zentrale Rolle. Wer in die Direktvermarktung einsteigen möchte, muss prüfen, ob der Netzbetreiber die technischen Voraussetzungen erfüllt – etwa beim Smart Metering oder bei der Bilanzgruppenfähigkeit.
Manche Energieversorger stehen der Direktvermarktung offener gegenüber als andere. Es lohnt sich, vorab den Dialog mit dem lokalen Versorger zu suchen und die Rahmenbedingungen zu klären.
Gerade in kleineren Gemeinden kann es Einschränkungen geben, etwa bei der Datenübertragung oder der Anbindung an Drittanbieter. In Ballungszentren hingegen ist die Infrastruktur meist besser ausgebaut – was eine reibungslosere Integration in Direktvermarktungsmodelle ermöglicht.
Die Direktvermarktung ist kein Allheilmittel – und für viele private Haushalte nicht zwingend die bessere Option. Aber sie eröffnet attraktive Möglichkeiten für all jene, die über eine grössere PV-Anlage verfügen, regelmässige Stromüberschüsse erzeugen und in moderne Steuerungstechnik investieren wollen.
Besonders spannend ist das Modell für Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihren Stromverbrauch flexibel gestalten können – etwa mit einem Batteriespeicher, einer Wärmepumpe oder einem Elektroauto. Wer sich aktiv mit dem Thema Energiemanagement auseinandersetzt, kann die Direktvermarktung als Ergänzung zum Eigenverbrauch sinnvoll nutzen.
Wichtige Entscheidungskriterien sind:
Du willst wissen, ob sich Direktvermarktung für dich lohnt? Dann hol dir eine unverbindliche Einschätzung von unseren Energieexperten – und finde heraus, welches Modell zu deinem Zuhause passt.
Beim Rückliefertarif vergütet der lokale Netzbetreiber den überschüssigen Strom zu einem festen Preis pro Kilowattstunde. Bei der Direktvermarktung wird der Strom stattdessen am Strommarkt verkauft – der Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage und kann somit schwanken.
In der Regel lohnt sich Direktvermarktung ab einer Anlagengrösse von etwa 10 kWp. Kleinere Anlagen produzieren meist zu wenig Überschuss, um die zusätzlichen Kosten für Technik und Dienstleister wirtschaftlich zu decken.
Ja. Für die Direktvermarktung sind ein Smart Meter, eine Fernkommunikationseinheit sowie oft ein Energiemanagementsystem erforderlich. Zudem braucht es die Anbindung an einen Direktvermarkter, der den Stromhandel übernimmt.
Der Strompreis am Markt kann stark schwanken. In Phasen mit niedrigen Preisen kann der Erlös sogar unter dem Rückliefertarif liegen. Auch der administrative Aufwand und laufende Gebühren sind höher.
Spezialisierte Anbieter wie CKW, tiko, eCarUp oder Hive Power übernehmen die Vermarktung. Sie kümmern sich um Prognose, Handel und Abrechnung – gegen eine Gebühr.
Eigenverbrauch bleibt unabhängig von der Vermarktung – du nutzt diesen Strom direkt in deinem Haushalt. Nur der überschüssige Strom, der ins Netz eingespeist wird, kann vermarktet werden.
Ein Wechsel ist grundsätzlich möglich, hängt aber vom Vertrag mit deinem Direktvermarkter und den technischen Gegebenheiten ab. Auch der lokale Netzbetreiber muss den Wechsel unterstützen.
Derzeit gibt es keine direkten Förderungen speziell für die Direktvermarktung. Über das Energiegesetz werden jedoch gewisse Marktprämien für grössere Anlagen und innovative Modelle vorgesehen.